Von Uwe Bahadir
Eine Fahrt über die Meere unseres Mondes
Der gute, alte Mond der Erde ist ein dankbares Beobachtungsobjekt für Liebhaber der Himmelskunde. Gerade der Einsteiger in die Astronomie, der nur über ein Fernglas oder ein kleines Teleskop verfügt, kann auf der Oberfläche des Erdtrabanten eine Menge interessanter Formationen ausmachen.
Auch der mittlerweile fast überall auftretende Lichtsmog stört bei der Mondbeobachtung kaum. Noch kann sich der Mond gegenüber den irdischen Lichtquellen durchsetzen. Derjenige der auch in einer Stadt lebt, kann weitgehend die Mondbeobachtung noch ohne Probleme durchführen.
Schon mit bloßem Auge fallen dunkle Flecken auf dem sonst recht hellen Mond auf. Deutlich unterscheidet sich der zunehmende vom abnehmenden Halbmond. Der zunehmende Halbmond erscheint heller , der abnehmende zeigt einen hellen Rand, die Innenfläche ist vergleichsweise dunkel. Man vergleiche selbst mal beide Halbmondphasen, den zunehmenden Halbmond am Abendhimmel und 14 Tage später den abnehmenden Halbmond am Morgenhimmel.
Bei Vollmond bilden die dunklen Regionen das berühmte „Mondgesicht“, das etwas ernst oder gar traurig dahinschaut…..
Der Fantasie sind hierbei natürlich keine Grenzen gesetzt. Ähnlich wie bei den Sternbildern die Einbildungskraft Figuren und Gestalten erkennen ließen, so sehen freiäugige Beobachter mal einen Mann im Mond, andere eine Frauengestalt oder einen Hasen. Wer in einem Fernglas den Vollmond betrachtet, für den verschwinden diese Fantasiegebilde augenblicklich. Die ersten Teleskopbeobachter meinten, in den dunklen Regionen auf dem Mond Meere zu sehen.
Die Vorstellung von den Mondmeeren übernahm auch der Jesuit und Professor für Astronomie aus Bologna , Giovanni Battista Riccioli (1598-1671). Zusammen mit seinem Kollegen Francesco Maria Grimaldi (1618-1663), ebenfalls in Bologna als Mathematiker und Physiker tätig, fertigte er eine umfangreiche Mondkarte an, die 1651 erschien. Die Nomenklatur dieser Mondkarte wird heute noch benutzt. Riccioli benannte Krater, Ringwälle, Gebirge und die dunklen Regionen, die er für Meere hielt.
Wie damals üblich , verwendete man für wissenschaftliche Bezeichnungen die lateinische Sprache (heute dominiert Englisch in der Wissenschaft): Meer heißt lateinisch „mare“. Bei der Wahl der Bezeichnungen für die vermeintlichen Mondmeere ließ sich Riccioli von der damals allgemeinen Ansicht leiten, der Mond beeinflusse das Wetter und das Gemüt, den Seelenzustand der Menschen. Unser Wort „Laune“ stammt vom lateinischen luna, der Mond. Das englische Wort „lunacy“ wieder bedeutet „verrückt, irre, wahnsinnig“. So gibt es nach Riccioli ein Mare Imbrium (Regenmeer), ein Mare Tranquillitatis (Meer der Ruhe), ein Mare Serenitatis (Meer der Heiterkeit oder einen Oceanus Procellarum (Ozean der Stürme ).
Eine Kreuzfahrt durch die Mondmeere lässt sich mit einem Schiff nicht durchführen. Denn auf dem Mond gibt es weder freie Wasserflächen noch eine Lufthülle. Unser Trabant ist eine sterile und tote Welt, sehr ungemütlich. Die Mondmeere sind mit erstarrter, dunkler Lava gefüllte, riesige Tiefebenen. Unsere geplatzte Kreuzfahrt legen wir daher mit einem Fernglas oder einem Teleskop zurück. Zur ersten groben Orientierung sehen wir uns mal die hellglänzende Vollmondscheibe mit bloßem Auge an. Die beiden größten Mondmeere sind in der Osthälfte des Mondes („links“ von der Nordhalbkugel der Erde aus betrachtet) zu erkennen, nämlich der Oceanus Procellarum und das Mare Imbrium im Nordosten („oben links“).
Mit Begriffen wie links und rechts muss man aufpassen, den da kommt es darauf an von wo aus auf der Erdoberfläche wir was beobachten auf dem guten alten Mond.
Dann kommt es auch noch darauf an in was für eine Optik wir blicken. Da wird gleich mal rechts mit links vertauscht. Bei „Ost“ und „West“ muss man aufpassen.
Nach der modernen Bezeichnung ist auf dem Mond Osten dort, wo für einen Astronauten auf dem Mond die Sonne aufgeht.
Der schwankende Mond
Der Ausdruck „Libration“ stammt auch aus dem Lateinischen „librare“, was „schwanken“ heißt. Der Mond weist eine gebundene Rotation auf , das heißt, eine Eigenrotation entspricht der Länge eines Umlaufs um die Erde. Somit ist uns immer die gleiche Mondhälfte zugekehrt. Die Mondrückseite kennen wir nur von Bildern , die uns Raumsonden übermittelt haben. Dennoch sehen wir mehr als 50 Prozent der Mondoberfläche : Infolge dieser Schwankung sind fast 60 Prozent von der Erde aus sichtbar. Mal sehen wir ein wenig mehr vom westlichen, dann wieder vom östlichen Rand.
Am Terminator
Hat man sich einmal die wichtigsten Mondmeere eingeprägt, beginnen die besonders reizvollen Detailbeobachtungen. Diese nimmt man nicht bei Vollmond vor, sondern wenn die Lichtgrenze (Terminator) nach und nach über die Mondmeere zieht. Denn in der Nähe des Terminators wirken alle Geländedetails und Erhebungen richtig plastisch. Bei tiefstehender Sonne werfen nämlich alle Berge lange, scharf begrenzte Schatten . Am Terminator selbst treten sogar kleine Bodenwellen deutlich hervor. Besonders reizvoll ist es, einen Rinwall oder Zentralberg in einem Krater beim Auftauchen aus der Schwärze der Mondnacht zu verfolgen.
Bei der schmalen Sichel des zunehmenden Mondes wird zuerst das Mare Crisium und bald darauf das Mare Foecunditatis sichtbar. Es folgen in der aufgehenden Sonne das Meer der Ruhe und das Meer der Heiterkeit. Im Norden werden immer größere Teile des Mare Frigoris beleuchtet. Bei Halbmond wird der Westrand dann vom Mondkaukasus begrenzt usw. . Es ist interessant und spannend , die jeweiligen gleichen Formationen einmal nahe des Aufgangsterminators (Lichtgrenze) und einmal nahe des Untergangsterminators zu beobachten.